Experimentator

Künstler im Aarauer Rathaus, Bildhauermeister von «Pinokio» und Szenograf bei tanz&kunst: Der in Baden geborene Roman Sonderegger balanciert durch die Aargauer Kunstszene und wärmt sich an Pfefferminztee und Heissleimpistolen.

Die Thermoskanne mit Pfefferminztee dampft in der kalten Halle des Takatuka-Geländes in Däniken, wo Roman Sonderegger arbeitet. "Zum Modellbauen im Winter ist es hier eigentlich nicht optimal - wenn die Heissleimpistole mehr wärmt, als dass sie Werkzeug ist, dann ist es definitiv zu kalt. Am schönsten ist es, wenn ich Holz bearbeite, bis ich im Sägemehl stehe!" Und das tat er, knöcheltief, als er den viereinhalb Meter grossen Holz-Pinocchio für die aktuelle "Fake"Ausstellung im Stapferhaus gestaltet hat.

Was ist er nun - Modell- oder Bildhauer? Er ist gelernter Steinmetz, freischaffender Künstler und auch mal forschender Physikstudent. Sonderegger hat oft mehrere Projekte gleichzeitig und will sich nicht in ein festgelegtes Label zwängen lassen. Von dieser Vielfalt spricht auch seine Atelierhalle: Kleine Modelle stehen um und zwischen mannshohen Installationen. Dort treffen physische Kräfte auf Baumaterialien, und es entstehen unter anderem von Spannsets gehaltene Eichenbalken, die im Raum zu schweben scheinen.

Die Frage nach Raum, Architektur und physikalischen Gegebenheiten wie Volumen oder Gleichgewicht wird vom Künstler auf verschiedene Weise erforscht. "Zu lesen, dass ein Objekt in der Quantenphysik gleichzeitig Material und Bewegung sein kann, ist inspirierend. Aber ich bin kein Kopfmensch - ich probiere lieber aus, als dass ich berechne. Wie ein Kind, das im Sandkasten spielt und experimentiert."

Der Steinmetz war aber nicht immer so frei und orientierte sich lange an klassischen Traditionen der Bildhauerei. "Als ich an die Kunsthochschule kam, war ich in der Bildhauerpubertät - das Klassische forderte mich nicht mehr." Durch diese Rebellion und das Ablehnen von "richtig oder falsch", konnte er eigenen Raum finden und sich abgrenzen. "Heute bin ich stolz auf meine handwerkliche Ausbildung - ohne sie könnte ich viele Arbeiten nicht machen. Sie dient mir als Fundament, mit dem ich möglichst virtuos umzugehen versuche."

Für die Raumgestaltungen des neuen tanz&kunst Projekts "Ikarus" in der Klosterkirche Königsfelden arbeitet er eng mit den Choreograf*innen zusammen, die alle verschiedene Bedürfnisse haben. Auf diese einzugehen, gestaltet seine Arbeit anspruchsvoll und wirkt inspirierend.

Seine kommende Ausstellung im Aarauer Rathaus heisst "Kabinett der Kräfte" und klingt nach einem Traum für Physiker*innen. Es spielen physikalische Kräfte mit, aber inhaltlich geht es um gesellschaftliche Kräfteverhältnisse, die walten, wenn Bürger*innen das Rathaus aufsuchen müssen. "Ich werde vier Etagen bespielen; den Eingang durch sperrige Skulpturen erschweren und die Räume gegen oben luftig in sich auflösen lassen."

Artikel von Gianna Rovere, Veröffentlicht im AAKU Aargauer Kulturmagazin im Februar 2019
Alle Bilder: Gianna Rovere