Über lange Zeiträume lernen wir: Jeder Bau ist provisorisch. Häuser werden saniert, umgebaut, schliesslich verdrängt und abgerissen. Bei Roman Sonderegger tickt die Zeit schneller. Von Anfang an unterläuft er den Anspruch ans Bleibende, an Haltbarkeit und Solidität. Und doch sind die Materialien seiner Kunst nicht selten dem Bausatz ‚richtiger‘ Architektur entlehnt. Backstein, Dachlatten, Schaltafeln trimmt er auf Ansichten und eine Balance, die die Eigenart gegebener Orte offenlegen, sie verwandeln. Der Künstler stemmt, stapelt, klemmt, presst, spannt, lässt baumeln. Seine Arrangements auf Zeit erzählen von physikalischen Gesetzmässigkeiten, treten an zum erkundenden Nachbau wie zum Kräftemessen mit der Umgebung, ihren Dimensionen und Oberflächen. Auch die unzähligen Holzleisten, die sich wie eine Höhle aus rechten Winkeln ins ehemalige Zollhäuschen einnisten, relativieren die Erwartung an Zutritt, Schutz und Stabilität. Umso mehr fordern sie unsere Vorstellung heraus: Kann die Fülle an Holz dem kleinen Bau neue Freiräume entlocken? Wie bieten sie Unterschlupf und für wen? Wo verdrängen sie im Gegenteil das Recht auf Aufenthalt? “Ein Loch gegen den Regen”: Nicht zufällig zitiert der Künstler mit den Titel ein Kinderbuch, in dem jedes Tier seine ideale Behausung kundtut und gegen alternative Modelle verteidigt.
Situative Kunst schert sich nicht um ihr Überleben. Kein neuer Ausstellungsraum, kein städtischer Platz, keine Bühne oder Garage setzt ihn unter Druck, etwas Allgemeingültiges entstehen zu lassen. „Eine Arbeit ist nie ein Endpunkt“, so seine Devise. „Ich möchte die beste Momentaufnahme liefern von dem, was ich hier und jetzt zeigen kann.“ Wo er sich beschränken muss, werde er präziser. Die Gesamtheit seiner ortspezifischen Versuchsanordnungen verwirklicht der Künstler als „Institut für Raumforschung“. Augenzwinkernd nimmt Sonderegger das Forschende für sich in Anspruch, setzt doch seine Kunst aufs Experiment, das jedes nutzerorientierte Handeln im Raum auf seinen sinnlichen Selbstzweck befragt.
Bevor er mit der freien bildenden Kunst neue Freiräume eroberte und ein Schaffen mit offenem Ausgang, hat Roman Sonderegger Steinmetz gelernt. In jenem Handwerk lag der grösste Aufwand beim langsamen Freilegen einer Form aus dem harten Material. Heute wirft der Künstler einen Laserstrahl auf seine raumgreifende Plastik und lässt die Frage unentschieden stehen: Ist die Horizontale das richtige Mass für einen so leichten, so provisorisch erfundenen Bau? Taugt die Vertikale als Ausrichtung oder liefert sie uns nur Scheinsicherheit auf dem gekrümmten Planeten?